ONS 2.0

Wir schreiben August 2014. Es ist Freitag am frühen Abend, und ich bin im Chat. Er auch. Hier halte ich mich regelmäßig auf, der Chat ist an wie bei anderen Menschen der Fernseher nebenbei läuft.

Wir stellen recht schnell fest, dass wir auf einer Welle schwimmen. Die erste Gemeinsamkeit ist Humor, die zweite ist unsere Art, Leidenschaft zu definieren und die dritte, dass wir Bock aufeinander haben. Achja, die vierte: Spontaneität. Ob es denn für mich in Ordnung wäre, wenn er in der Nacht wieder los müsse, da er am nächsten Tag mit Freunden auf eine Hochzeit fahren würde.

Gegen drei Stunden später ist er hier. Als ich ihm auf dem Bürgersteig entgegen gehe, schenkt er mir ein Strahlen. Unsere Umarmung fühlt sich an, als würden wir uns bereits lange kennen, aber nicht, als würden sich Fremde zum Ficken treffen. Da kommen zwei zueinander, die viel gemeinsam haben, und zwar nicht nur auf der sexuellen Ebene.

Wir kümmern uns umeinander. Jeder Körperteil wird darin mit einbezogen, wenn auch der Anus jeweils im Mittelpunkt steht. In Ruhe. Leidenschaftlich, ja, aber nicht hektisch oder gierig. Obwohl wir nur wenige Stunden haben, lassen wir uns Zeit. Sogar dafür, hinterher meinen Kopf auf seiner Brust ruhen zu lassen und über Beruf, Vorurteile und Lebensanschauungen zu reden. Naher, inniger Sex zwischen Menschen, die sich verstehen.

In den nächsten Jahren ist nichts mit Spontaneität. Beide tun sich in Phasen psychischer Disbalance schwer mit langen Autobahnfahrten. Aber die Nähe bleibt in Form liebevoller Kommentare, Mails mit gegenseitigem Interesse, Geburtstagsgrüße, Feiertagsgrüße und zwinkerndem Geplänkel zwischendurch. Auch ohne ein Wiedersehen fühle ich, dass da ein Band besteht aus Gemeinsamkeit. Ein Gefühl, das nicht zu beschreiben ist. Und ich will weder auf „Liebe“ noch auf „Seelenverwandtschaft“ hinaus. Auf nichts weiter als auf „besonderes Band“.

Anlässlich seines Geburtstages schreiben wir uns. Ich wünsche ihm alles Gute und dass er bekommen möge, was er brauche.

… Meine Wünsche am heutigen Tag sind allerdings sehr viel profaner und fleischlicher. *ggg*

spaetsommer

Eine willige Möse und ein bereitgestreckter Arsch? *g*

Dies treffe seine Wünsche ziemlich genau, antwortet er. Und da ich doch so gerne bei der Erfüllung von Wünschen helfe, beginnen wir an jenem Tag, ernsthaft unser Wiedersehen zu planen. Es kommen noch ein paar Terminschwierigkeiten in den Weg, aber letztlich findet sich ein langes Wochenende, an dem ich die Regionalbahn steige.

Als ich ankomme, ist es spät. Wenigstens habe ich keinen Hunger, aber ich bin seit 17 Stunden auf den Beinen und nicht mehr die Jüngste. Darum stelle ich mich darauf ein, in seiner Wohnung einfach einzupennen. Aber nichts da: kaum knutschen wir, bin ich auch schon wieder wach. Erst zweieinhalb Stunden später, nachdem er der sonst dauernd lärmenden Studentenbrut über ihm gezeigt hat, was ’ne Harke ist, gehen wir zur Nachtruhe über. Friedlich, befriedigt, löffelnd.

Drei Übernachtungen bei ihm, in denen ich herrlich schlafe. Drei Frühstücke (der Art Deluxe, nackt in der Küche), zweimal auswärts essen, nachdem wir drei Tage lang seine Stadt und das Nachbarland spazieren gehend abgegrast haben. Die Blasen an meinen Füßen haben sich etwa 2 Monate später vollständig regeneriert, und es war jeden einzelnen Druckschmerz wert. Den Rest des Tages lümmeln wir auf dem Sofa rum und Musik bestimmt die Zeit. Viel, viel, viel Musik. Und viel, viel Schlagzeug. Natürlich auch viel, viel Sex. Eine wunderschöne Zeit mit guten Gesprächen, wie sie persönlicher kaum sein könnten. All das mit dem ständigen Gefühl der Vertrautheit. Ich genieße es sehr, bei ihm untergehakt durch die Stadt zu laufen. Jeder, der uns begegnet, wird zweifelsfrei denken, dass wir ein Paar sind. Und genau das sind die Begegnungen, die ich so schätze. Das Gefühl haben zu dürfen, dass mir jemand sehr nah ist, ohne Verbindlichkeit und grauen Alltag befürchten zu müssen. Nur das Gute der Beziehung.

 

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