Frustrationstoleranz

Ich kann ganz schlecht auf Enttäuschungen. Vor vielen Jahren lernte ich mal den Begriff „Frustrationstoleranz“, aber erst viel später begriff ich, dass ich in diesem Persönlichkeitsmerkmal zu wenig abbekommen habe.
Das äußert sich, wenn etwas nicht eintritt, was ich erhofft bzw. erwartet habe. Damit habe ich zwar schon insofern umzugehen gelernt, als ich von vornherein nicht zu viel erwarte, aber das schützt mich nur quantitativ, nicht qualitativ. Soll heißen, ich kann verhindern, das WIEVIEL zu steuern, aber nicht das OB.
Habe ich jemanden im Internet kennen gelernt, von dem ich mir ein WOW-Bild mache und auch bald treffen will, dann ist das gar nicht gut, wenn er vorher abspringt. Nein, eine Terminverschiebung ist kein Problem für mich, aber ein Plötzlich-nicht-mehr-da-sein schon. Genau wenig kann ich darauf, dass mich jemand nicht mag, den ich sehr mag (bei den anderen ist mir das wurscht). Oder ich habe mit Geld fest gerechnet (dabei stellt sich gleichzeitig die Erleichterung ein, dass diese und jene Rechnung quasi schon bezahlt ist) und dann heißt es von jetzt auf gleich „ellabätsch“. Sowas lässt mich ganz schön tief plumpsen.
Neulich habe ich einen Schutzmechanismus erkannt, den ich dann oft anwende: sobald mich jemand enttäuscht, mache ich dicht. Ich hake ab. Das dient dazu, dass der mich nicht nochmal enttäuschen kann. Und wenn er nicht mehr da ist, um dieses Abhaken und mein Enttäuschtsein noch mit zu bekommen, dann kann es auch schon mal sein, dass ich jemand anderen beiße (denn Frustration erzeugt Aggression, sagte schon Freud). Leider führt der Mechanismus auch hin und wieder dazu, dass ich jemandem unrecht tu, dass ich mir selbst im Wege stehe, damit es wieder gut gemacht werden kann.
Seit ich das weiß, bin ich aufmerksamer für meine Reaktion. Und manchmal hole ich das kleine Mädchen tief in mir ins Spiel, das wie ein Boxer tänzelnd ruft „He, ich will, dass du glücklich bist! Ich hau alle Schwierigkeiten zu Brei!“